Der Telrad-Trick: Montierung ausrichten mit dem Projektionssucher
Eine parallaktische Montierung ist nur so gut wie ihre Ausrichtung auf den Himmelspol. Mit dieser wenig bekannten Methode klappt’s.
In diesem Artikel verraten wir Ihnen ein kleines Geheimnis. Denn viele besitzen einen Telrad- oder Radiant-Sucher, wissen aber nicht, dass sie damit ihre parallaktische Montierung ausrichten können - ganz ohne Polsucher.
Aber warum müssen wir das überhaupt machen?
Parallaktische Montierungen machen die Nachführung von Objekten am Himmel besonders einfach – per Hand oder mit Motor. Damit das funktioniert, muss die Montierung möglichst genau auf den Himmelspol ausgerichtet sein. Für die visuelle Beobachtung ist das nicht so kritisch, notfalls korrigiert man nach einigen Minuten manuell, bevor das Objekt zu weit aus der Mitte des Gesichtsfelds wandert.
Für die Astrofotografie sieht das schon anders aus. Kleine Abweichungen machen sich hier schnell bemerkbar, und auch bei Aufnahmen mit Autoguider ist eine präzise Ausrichtung die beste Voraussetzung für das perfekte Bild.
Leider ist das Ausrichten der Montierung auf den Himmelspol eine zeitaufwendige Arbeit, und manche Teleskope besitzen nicht einmal einen Polsucher. Die gute Nachricht: Mit einem Telrad- oder Radiant-Projektionssucher kann man die Prozedur stark vereinfachen.
Schritt für Schritt: So richten Sie Ihre Montierung aus
Der Sucher zeigt drei Kreise mit 0,5°, 2° und 4° Durchmesser. Der Polarstern ist ungefähr ein dreiviertel Grad vom wahren Himmelspol entfernt.
1. Wir richten zuerst den Sucher auf die Hauptoptik aus. Dann versetzen wir die Montierung in die Grundstellung, sodass die Hauptoptik direkt oberhalb des Rektaszensionsgehäuses sitzt. Bei einer deutschen Montierung zeigt dabei die Gegengewichtsstange direkt nach unten.
2. Die Deklinationsachse wird auf 90° gestellt – der Tubus zeigt nun in Verlängerung der Rektaszensionsachse. Deklination und Rektaszension dürfen jetzt nicht mehr verstellt werden, bis die Montierung ausgerichtet ist.
3. Nun stellen wir Polaris mit der Azimut- und der Polhöhenverstellung in die Mitte des Sucherkreises; schon haben wir die Montierung mit einer Genauigkeit von unter einem Grad auf den Pol ausgerichtet.
Es geht aber noch genauer. Dazu müssen wir uns erst klarmachen, auf welcher Stelle seiner Kreisbahn sich Polaris gerade befindet. Das ist ganz einfach – nehmen wir einfach mal an, beim Blick nach Norden würde sich uns folgender Himmelsausschnitt zeigen:
Der helle Stern am oberen Bildrand ist Polaris. Wir sehen das Sternbild Kassiopeia und Teile anderer Sternbilder. Zwischen Cassiopeia und Perseus befindet sich der bekannte Doppelsternhaufen h & Chi Persei. Dieser Sternhaufen hat die gleiche Rektaszensionskoordinate wie der Polarstern. Wir stellen also in diesem Fall Polaris mit der Azimut- und Polhöhenverstellung an die folgende Stelle im Sucher:
Fertig – wir haben die Montierung auf wenige Bogenminuten genau ausgerichtet.
Wir können das Ergebnis auch überprüfen: wenn wir das Teleskop in der RA-Achse schwenken, wandert der Polarstern in einem konzentrischen Kreis um den innersten Teilkreis des Suchers.
Autor: Tassilo Bohm
Tassilo entwickelt Produkte für die Marke Omegon.
Tassilo Bohm beschäftigt sich seit dem Kometen Halley 1986 mit der Amateurastronomie. Er ist Gründungsmitglied der Astronomischen Arbeitsgruppe Laufen und seit vielen Jahren bei der Bayerischen Volkssternwarte München mit Schwerpunkt Teleskopselbstbau aktiv. 1996 ergriff er die Chance, sein Hobby zum Beruf zu machen, und stieg zunächst in den Vertrieb und später in die Entwicklung von Teleskopen ein.
Sprachen: Deutsch, Englisch